Adhärenz 2020: Companion-Apps, digital Coaches, Health-Bots
Werden Arzneimittelhersteller in Zukunft zum behördlich zugelassenen Beipackzettel (1), der sog. Gebrauchsinformation, als Service für Arzt und Patienten immer auch eine passende Companion-App anbieten? Ein QR-Code auf der Arzneimittelpackung könnte Nutzer die Suche in den Stores ersparen und direkt zur qualitätsgesicherten Companion-App führen. Sie könnte Zugang schaffen zu einem interaktiven „Beipackzettel-Bot“, der Fragen zur Verträglichkeit, zur Dosierung etc. direkt beantwortet: Die mühsame Suche in langen, unübersichtlichen Beipackzetteln würde sich erübrigen. Ergänzt durch einen virtuellen Coach, der neben der Arzneimitteladhärenz nichtmedikamentöse, verhaltensassoziierte Behandlungsansätze fördert, wäre der Schritt in Richtung eines ganzheitlichen Disease Management Konzeptes möglich. In zukünftigen Wertschöpfungsmodellen liefern Arzneimittelhersteller dann vielleicht nicht mehr nur das Arzneimittel, sondern ein Behandlungskonzept samt Coach, in das die Arzneimitteltherapie eingebunden ist und dessen Erfolg am Outcome für den Patienten gemessen wird. Die Vorteile liegen auf der Hand.
- Über virtuelle Coaches in Form von Health-Bots lassen sich qualitätsgesicherte Informationen am Wochenende sowie nach Praxisschluss immer und überall vermitteln, die häufigsten Fragen zum Arzneimittel können schnell und sicher beantwortet werden.
- Alle Patienteninformationen und Handlungsempfehlungen, könnten interaktiv und angepasst an die Möglichkeiten und Einschränkungen des jeweiligen Nutzers z. B. in verschiedenen Sprachen, in der erforderlichen Schriftgröße, bei Bedarf auch visuell unterstützt durch Videos verständlich vermittelt werden.
Denkt man noch einen Schritt weiter und gibt den Arzneimittel-Companion-Apps Schnittstellen zu Fitness-Trackern, anderen Gesundheits-Apps und digitalen Patientenakten, könnten Informationen aus Anamnese, Lebens- und Arbeitswelt, Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten des Patienten in individuelle Behandlungskonzepte einfließen. Immer vorausgesetzt, der Patient will das und willigt der Nutzung all dieser persönlichen Gesundheitsdaten ein.
Die vom Patienten in Companion-Apps gesammelten Daten zur Therapie, zu Symptomen und zur eingeschätzten Lebensqualität könnten die Arzneimittelsicherheit verbessern. Die aktivere Einbeziehung der vom Patienten generierten Daten könnte sich positiv auswirken auf die Versorgungsqualität - so die Hoffnung.
Dass die Aufklärung und Einbindung des Patienten in Entscheidungsprozesse die Therapieadhärenz fördert, ist bekannt (2). Welche Rolle Apps dabei spielen, wird intensiv erforscht, so dass sich das Wissen über die Wirksamkeit dieser Apps weiter verbessern wird (3/4). Wie sich darüber hinaus der Einsatz von künstlicher Intelligenz und Data Mining bei der Auswertung von Patientendaten generell auf die Versorgungssysteme auswirken wird, ist eine zentrale Frage, die die Gesundheitssysteme weltweit beschäftigt (5).
Zurück in die Gegenwart
Mehr als die Hälfte aller Pharmaunternehmen (53,7%) bieten heute schon Companion-Apps an, die die Adhärenz von Patienten unterstützen sollen. Das Problem: Die meisten dieser Apps werden bisher nur sehr zurückhaltend genutzt. Obwohl viele von ihnen aufgrund ihres Unterstützungsansatz durchaus das Potential zum Adhärenz-Helfer (49%) haben, kommen sie in der Arzt-Patientenkommunikation bisher kaum zum Einsatz.
Was müsste sich ändern?
Benchmark Pharma-Apps: Marktanalyse 12/2016 (n=73)
- BfArm 2015. Auflagen für die Lesbarkeit von Packungsbeilagen
- Härter M, Loh A, Spies C. Gemeinsam entscheiden – erfolgreich behandeln. Deutscher Ärzte-Verlag GmbH, 2005
- Santo K et al. (2017). Mobile Phone Apps to Improve Medication Adherence: A Systematic Stepwise Process to Identify High-Quality Apps. JMIR Mhealth Uhealth. 2016 Dec 2;4(4):e132.
- Zanetti-Yabur A (2017). Exploring the usage of a mobile phone application in transplanted patients to encourage medication compliance and education. Am J Surg. 2017 Feb 17
- Künstliche Intelligenz lässt die Kassen aufatmen. Andy Miah & Emma Rich. Feb 2017