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Apps bei Schuppenflechte: Welche Hilfe bieten sie?

Geschrieben von ursula.kramer am Freitag, 16. Dezember 2016 - 17:06

Wie viele andere Chroniker auch, sind die rund 2 Millionen Menschen, die in Deutschland an Schuppenflechte leiden (1), im Alltag weitgehend auf sich selbst gestellt. Die genaue Beobachtung, was die belastenden Krankheitssymptome verstärkt und was sie lindert, ist ein wichtiger Schlüssel, um besser mit der Krankheit leben zu können (2). Eine Heilung gibt es nicht (3).
Daraus leitet sich die Rationale für den Einsatz digitaler Patiententagebücher für Psoriasis-Patienten ab.
HealthOn hat im November das Angebot an deutschsprachigen, kostenlosen Apps in Google Play analysiert. Hier das Ergebnis:

Wie groß ist das Angebot, wer sind die Anbieter?

  • Es gibt lediglich 3 Apps für die rund 2 Millionen Betroffenen in Deutschland (1).
  • Alle drei Psoriasis-Apps werden von Pharmaunternehmen bereit gestellt.

Was können Psoriasis-Apps: Unterstützungsansatz

  • Als digitale Patiententagebücher ermöglichen sie das Aufzeichnen und Auswerten von Krankheitssymptomen mit dem Ziel, mögliche Auslöser bzw. Verstärkungsfaktoren zu identifizieren.
  • Die Tagebucheinträge und Auswertungen können mit dem behandelnden Arzt geteilt werden.

Mit den digitalen Psoriasis-Tagebüchern können Symptome in ihrem Schweregrad aufgezeichnet werden - schnell, einfach, überall. Die Apps können den Verlauf von Symptomen über die Zeit anzeigen und Betroffenen helfen, Muster zu erkennen zwischen Schwere der Erkrankung und potentiellen Auslösern: Was tut mir gut, welche Einflüsse verschlechtern meinen Zustand. Wie wirken sich Alkohol, Rauchen, Stress, Kälte, Wärme, Bewegung, und bestimmte Nahrungsmittel auf mein Befinden aus?

Bei dieser multifaktoriell beeinflussten Erkrankung (3) sind auch die Therapieansätze komplex. In der Regel sind Kombinationen verschiedener topischer und systemisch anzuwendender Arzneimittel  angezeigt (3). Patient und Arzt müssen mit viel Geduld und genauer Beobachtung herausfinden, welche der vielen Möglichkeiten die Lebensqualität tatsächlich verbessert. Eine Psoriasis-App, die über einen längeren Zeitraum aus der Perspektive des Patienten den Krankheitsverlauf darstellt, kann zu einem wichtigen, gemeinsames Kommunikationsmittel von Arzt und Patienten werden. Nutzt die App zur Symptomabfrage validierte Instrumente (4) z. B. den DLQI-Index (=Dermatology Life Quality Index), lässt sich der Erfolg eines Therapieansatzes quantifizieren und mit Fotoaufnahmen der betroffenen Körperstellen auch einfacher kommunizieren. Das fördert das gegenseitige Verständnis in der Arzt-Patienten-Kommunikation und kann sich positiv auswirken auf die sog. Therapieadhärenz. Damit helfen digitale Patiententagebücher, Therapieziele zu definieren und deren Erreichung zu überprüfen, um gegebenenfalls die Therapie anzupassen.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass alle drei derzeit im Google Play verfügbaren, deutschsprachigen Psoriasis-Apps von Pharmaunternehmen zur Verfügung gestellt werden. Die Unternehmen, die Arzneimittel zur Behandlung der Schuppenflechte im Markt vertreiben, setzen auf digitale Patiententagebücher, weil es wissenschaftlich erwiesen ist, dass sich eine bessere Kommunikation zwischen Arzt und Patient positiv auf die Therapieführung und den Therapieerfolg auswirken (3). Gemeinsam entscheiden, erfolgreich behandeln, das ist der partizipative Ansatz, der unterstützt durch eine App auch im Fall von Psoriasis-Patienten besser gelingen kann.

Psoriasis-Apps gehören alle zur höchsten Risikoklasse 4

Sie verwalten sensible Patientendaten, deren Versand an Dritte (z. B. an den behandelnden Arzt) von allen drei Apps unterstützt wird. Eine von drei Apps weist darauf hin, dass dieser Datenversand unverschlüsselt (5) erfolgt.

  • Alle drei Apps für Psoriasis-Patienten verfügen über eine Datenschutzerklärung, in einem Fall bietet die App lediglich einen Link zur Datenschutzerklärung (5) der jeweiligen Unternehmens-Website (5).
  • Die Daten werden von zwei Apps an Dritte weitergegeben, in einem Fall nur in anonymisierter Form (6).
  • Zwei Apps weisen darauf hin, dass das Nutzungsverhalten analysiert wird (6), z. B. mit Google Analytics

Selbsthilfeansatz wird bisher nicht genutzt

  • Keine der Apps bieten den Austausch über ein Forum, in dem sich Betroffene gegenseitig helfen können, Erfahrungen teilen oder Ermutigung geben können.
  • Keine der Apps ist in Kooperation mit einer Patientenselbsthilfegruppe entwickelt worden
  • Nur eine der drei Apps bietet Informationen und Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe.
  • Ein App-Anbieter erklärt, dass Befragungen von 2.000 Patienten (6) zur Entwicklung des App-Konzeptes geführt haben und die App mit Patienten in Frankreich und Dänemark getestet worden ist.
  • Eine App wurde im Rahmen einer klinischen Studie als Symptomtagebuch genutzt, fast alle Studienteilnehmer konnten mit der App über 12 Wochen ihre Symptome dokumentieren.

Psoriasis-Apps werden bisher kaum genutzt

  • Alle drei Psoriasis-Apps erreichen zusammen wenige Hundert Downloads - bei ca. 2 Millionen Betroffenen in Deutschland kann das als Indiz dafür gelten, dass das Angebot bei Betroffenen offensichtlich nicht bekannt ist oder Betroffene sich in den App-Stores keine Hilfe für die Bewältigung ihrer Schuppenflechte erwarten.

Vielleicht sind die mangelnde Einbindung von Selbsthilfeorganisationen (Deutscher Psoriasis Bund e. V., Psoriasis Selbsthilfe Arbeitsgemeinschaft e. V.) und die vielen, noch offenen Fragen im Zusammenhang mit der Nutzung von Patientendaten in Arztpraxen (z. B. Datenschutz beim Eingang sensibler Daten im E-Mail-Account von Arztpraxen, Haftung für die Einbeziehung der Daten in Therapieentscheidungen, Honierung der Ärzte für die Auswertung der Daten) Erklärungen, warum die Psoriasis-Apps bisher kaum genutzt werden.

Weiter zu den ausführlichen Testberichten der Psoriasis-Apps, HealthOn-Screening, November 2016

Quellen:

HealthOn - Experten in Sachen Digital Health

Dr. Ursula Kramer - Die Ap(p)othekerin bloggt auf HealthOn

DiGA-Expertin, Autorin, Beraterin

Die Vision eines gerechten, patientenorientierten Gesundheitssystems treibt die Ap(p)othekerin Dr. Ursula Kramer an. Digitalisierung sieht sie als Möglichkeit, diesem Ziel näher zu kommen. Seit 2011 testet sie Qualität, Sicherheit und Anwenderfreundlichkeit von Gesundheits-Apps, Medizin-Apps und Apps auf Rezept (DiGA). Sie will Transparenz schaffen und digitale Gesundheitskompetenz fördern. Sie teilt die Erfahrung aus der Analyse vieler tausender Gesundheits-Apps in der Beratung von Unternehmen, sie schreibt darüber im Blog auf HealthOn, hält Vorträge und erstellt wissenschaftliche Publikationen. Mehr zur Ap(p)othekerin Dr. Ursula Kramer...