Health-Apps: Qualität heißt Nutzen und Sicherheit für den Patienten
Die jüngste Diskussion um die Notwendigkeit eines Qualitätssiegels zur Orientierung für Entscheider sowie zum Schutz für Verbraucher und Patienten (1,2,3,4) rückt die zentrale Frage in den Mittelpunkt, was unter Qualität einer Gesundheits-App überhaupt verstanden wird. Führt man die Qualität einer Gesundheits-App im Kern darauf zurück, dass sie Nutzen schafft für ihre Anwender ohne direkt oder indirekt Schaden zu verursachen, dann wird schnell klar, dass Qualität einer Gesundheits-App sehr eng mit Nutzerorientierung und Zielgruppenerreichbarkeit verknüpft ist:
- Eine App muss sich auf der Bedarf, die Möglichkeiten sowie die Einschränkungen ihrer Nutzerzielgruppe einstellen, um von dieser verstanden und genutzt werden zu können. Nur dann hat sie eine Chance, nachhaltig Nutzen generieren zu können. An diesem Punkt sind große Defizite erkennbar. So können Gesundheits-Apps gerade von Menschen mit geringer Health Literacy, also jenen, die diese Angebote am meisten brauchen (5), nur unzureichend verstanden werden: Für Anwender ist es schwierig, alle Funktionen der Apps richtig zu bedienen, so dass häufig nur ein Bruchteil der Unterstützungsfunktionen tatsächlich genutzt werden kann (6).
- Aus Marktforschungsstudien ist bekannt, dass die die meisten Apps über einen viel zu kurzen Zeitraum genutzt werden, um ihre Anwender bei der Erreichung ihrer, in der Regel langfristig ausgerichteten Gesundheitsziele überhaupt unterstützen zu können. Die durchschnittlichen 30 Tage-Retentionsraten für Apps der Kategorien Medizin und Gesundheit liegen derzeit bei ca. 50 Prozent (7), d. h. die Hälfte der Apps wird nach 30 Tagen nicht mehr genutzt.
- Die tatsächliche Nutzung verteilt sich dabei auf wenige Apps. Denn nur etwa jede 10. App schafft es, das Interesse einer relevanten Anzahl von Nutzern zu wecken und erreicht Downloads von über 50.000 (8).
Betrachtet man Gesundheits-Apps unter dem Blickwinkel der Sicherheit wird nach Analyse des derzeitigen App-Angebotes schnell klar, dass sich Gesundheits-Apps nicht über einen Kamm scheren lassen (9). Das Risiko für den Nutzer ist eng verknüpft mit den Funktionen, die eine App bietet, und den Gesundheitszielen, die ein Anwender mit der App erreichen will. Und weil sich Risiken und Nutzen von Gesundheits- und Medizin-Apps [HealthOn Risikoklassen 1-4] so deutlich unterscheiden, empfiehlt sich auch für Maßnahmen zum Schutz der Verbraucher und Patienten ein risikoadaptierter Ansatz.
Werden Apps zur Therapie oder Diagnose von Krankheiten in Verkehr gebracht, ist bereits heute nach Medizinproduktegesetz (§ 3 MPG) eine CE-Kennzeichnung auf Basis eines EU-Konformitätsverfahrens erforderlich (11). Ein Haftungsausschluss im Kleingedruckten reicht nicht aus, um sich als Anbieter einer Gesundheits-Apps aus dieser Verpflichtung herauszustehlen. Entscheidend ist, wie eine App in Richtung ihrer Nutzer beworben wird:
- Gemäß § 3 Nr. 10 MPG wird unter der Zweckbestimmung die Verwendung verstanden, für die das Medizinprodukt in der Kennzeichnung, der Gebrauchsanweisung oder den Werbematerialien nach den Angaben des Herstellers bestimmt ist. Ein Vermerk im App-Store „Dies ist kein Medizinprodukt“ umgeht die o. g. Kriterien nicht und wird u. a. bei den Entscheidungen des BfArM nach § 13 MPG nicht berücksichtigt.
Gesundheits-Apps, die CE-gekennzeichnet sind, gibt es bisher nur sehr wenige (12). Das heißt von diesen Apps kann nicht wirklich eine Orientierung für Verbraucher ausgehen. Ob und wenn ja für welche Gesundheits-Apps darüber hinaus zukünftig eine Regulierung angezeigt ist, wird unter Abwägung der Vor- und Nachteile für den Verbraucher sowie für den Marktstandort Deutschland zu entwickeln sein. Es wären vor allem jene Apps zu betrachten, die aufgrund ihres hohen Risikopotentials (d. h. Risikoklasse 4) Patienten und Verbrauchern am ehesten schaden könnten, z. B. durch Fehl- oder Falschinformation sowie durch Verstöße gegen geltende Datenschutzrechte.
Quellen:
- (1) Umfrage IZT zu Gesundheit-Apps: Sie können sich beteiligen!
- (2) Durchblick im Dschungel der Gesundheits-Apps. Pressemitteilung
- (3) Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Pressemitteilung; forsa-Fokusgruppen "Digitalisierung der Gesundheitsversorgung. Ergebnisbericht Faktenblatt Medizin-Apps – Chancen für die Behandlung nutzen
- (4) IGES Institut, Techniker Krankenkasse: Digitale Versorgungsprodukte: Chancen nutzen, sichere Wege in den Markt schaffen: IGES-Institut Ergebnispräsentation ausführlicher Studienbericht
- (5) Mackert M, Mabry-Flynn A, Champlin S, Donovan EE, Pounders K. Health Literacy and Health Information Technology Adoption: The Potential for a New Digital Divide. J Med Internet Res 2016;18(10):e264
- (6) Sarkar U, Gourley G, Lyles C et al. Usability of Commercially Available Mobile Applications for Diverse Patients. Journal of General Internal Medicine, published online July 14, 2016
- (7) Flurry Analytics 2016. Enter the Matrix: App Retention and Engagement, May 2016
- (8) HealthApp Dashboard 10/2016. Healthon
- (9) Entspannungs-Apps vs Diabtes-Apps: Risiko variiert erheblich Healthon Oktober 2016
- (10) Risikoskala für Gesundheits-Apps. Healthon Oktober 2015
- (11) BfArm. Orientierungshilfe Medical Apps. 2015. http://www.bfarm.de/DE/Medizinprodukte/Abgrenzung/medical_apps/_node.html
- (12) Gesundheits-, Medizin-Apps, Apps als Medizinprodukt? Definition & Relevanz. Healthon März 2016