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Schmerz vorbeugen & bewältigen: Schmerz-Apps im Test 11/2014

Geschrieben von sarah.beyer am Dienstag, 11. November 2014 - 00:00

22 Millionen Menschen sind in Deutschland geplagt von ständig oder häufig auftretendem Schmerz: Sechs Millionen fühlen sich von ihrem Schmerz stark beeinträchtigt, mehr als zwei Millionen so sehr, dass der Schmerz zur eigentlichen Krankheit wird und das Fühlen, Denken und Handeln stark dominiert (1). Gibt es für schmerzgeplagte Menschen in Deutschland Unterstützung aus den App-Stores? Was können Betroffene von Schmerz-Apps erwarten? Wie schneiden sie im Hinblick auf die Qualität und Transparenz der gesundheitsbezogenen Informationen ab? Mit diesen Fragestellungen hat die Initiative Präventionspartner im November 22 Apps analysiert. Hier die Ergebnisse im Überblick:

  • 12 der 22 untersuchten Apps bieten die Möglichkeit, den Schmerz in einem Tagebuch zu dokumentieren und zu analysieren.

Schmerztagebücher können hilfreiche Dienste leisten: Die Schmerzstärke messen, die Auswirkungen von Schmerzen auf das Befinden erfassen, die Zusammenhänge zwischen Belastungen, Medikamenteneinnahme und Schmerzstärke erkennen. Als App sind die Tagebücher mobil jederzeit greifbar, auch unterwegs, was die unmittelbare Dokumentation sehr erleichtert. Das Schmerztagebuch hilft Betroffenen, sich über ihren Schmerz bewusst zu werden und sich darüber mit dem behandelnden Arzt auszutauschen, um die bestmögliche Therapie zu finden.

  • 8 der 22 untersuchten Apps unterstützen den Nutzer beim Erlernen von Übungen zur Stärkung der individuellen Bewältigungsstrategien, in Form von Bewegungs- (n = 3) und Entspannungsübungen (n = 5).

Nichtmedikamentöse Maßnahmen wie Entspannungs- und Bewegungsübungen können einen wichtigen Beitrag leisten, um schmerzverursachende Fehlhaltungen und Verspannungen vorzubeugen oder durch körperliche Aktivitäten zu lindern. Sie können die Aufmerksamkeit weg vom Schmerz hin auf positive Ziele lenken, um dem Schmerz im Leben der Patienten die Dominanz zu nehmen. Der Vorteil einer App: Durch Video- und Audiounterstützung lassen sich Übungen besser nachvollziehen und mit wenig Aufwand im Alltag überall durchführen.

  • Von den 22 untersuchten Apps klären 4 über die Mechanismen der Schmerzentstehung auf, z. B. über die Unterschiede zwischen Akutschmerz und chronischem Schmerz.

Wer versteht, wie sich chronische Schmerzen entwickeln können, und den Teufelskreislauf Schmerz kennt, kann frühzeitig selbst wirksame Maßnahmen ergreifen. Weil Schmerz die Betroffenen zunehmend isoliert, ist das Erlernen von Aktivitäts- und Entspannungsmethoden von zentraler Bedeutung, um den Schmerzkreislauf zu durchbrechen. Ein gutes Krankheitsverständnis sensibilisiert Betroffene für die individuellen Schmerzursachen und für die Möglichkeiten, Schmerzen zu vermeiden bzw. sie zu überwinden.

  • Mit 8 der 20 untersuchten Apps kann sich der Nutzer an die Durchführung von Übungen bzw.  Einnahme von Schmerzpräparaten erinnern lassen.

Die medikamentöse Schmerztherapie wird nach dem Stufenschema der WHO bevorzugt in Form von Tabletten verabreicht, die nach einem regelmäßigen Zeitschema, in der Regel alle 12 Stunden, eingenommen werden. Unregelmäßige Einnahme kann den Durchbruch von Schmerzen begünstigen oder die Verträglichkeit der Schmerztherapie beeinträchtigen. Regelmäßig durchgeführte Aktivitäts- und Entspannungsübungen helfen, den Schmerzkreislauf dauerhaft zu durchbrechen. Eine App, mit der sich Patienten an diese Übungen erinnern lassen, kann zum nachhaltigen Therapieerfolg beitragen.

FAZIT: Nur wenige der untersuchten Schmerz-Apps bieten einen ganzheitlichen Unterstützungsansatz auf den folgenden drei Ebenen, d. h.

  1. sie klären auf und verbessern das Krankheitsverständnis (n = 4),
  2. sie leiten den Nutzer dabei an, Verhalten gesundheitsförderlich zu verändern, z. B.  durch Bewegungs- und Entspannungsübungen (n = 8) oder durch das Führen eines Schmerztagebuchs (n = 12),
  3. sie helfen dem Nutzer, dieses neu erlernte Verhalten dauerhaft beizubehalten, indem sie z. B. an die regelmäßige Medikamenteneinnahme, die Schmerzdokumentation oder an das Entspannungstraining erinnern (n = 8).

Apps, die auf allen drei Ebenen ansetzen, d. h. informieren & Bewußtsein schaffen, anleiten zur optimierten Krankheitsbewältigung und neu erlernten Verhaltens verstärken bzw. verstetigen, zeigen nach den gesundheitspsychologischen Modellen (PP-Modell) die besten Chancen auf dauerhafte Erfolge in der Krankheitsbewältigung (2,3).

Die Details zu den 22 getesteten Schmerz-Apps stehen Ihnen hier kostenlos zur Verfügung.
Stand Oktober/November 2014. Ein Service der Initiative Präventionspartner

Zur Methodik des App-Screenings

Quellen
(1) Schmerz 2014; 28: 483-492. Studienergebnisse Schmerzkongress, Hamburg, Oktober 2014.
(2) Green LW, Kreuter MW (1991). Health Promotion Planning: An Educational and Environmental Approach. Mountain View, CA: Mayfield Pub. Co
(3) Wang A et al. (2014). A Classification Scheme for Analyzing Mobile Apps Used to Prevent and Manage Disease in Late Life. JMIR mHealth uHealth 2014;2(1):e6. http://mhealth.jmir.org/2014/1/e6

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